Buch-Welt-Musik
Medium Rezension
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Kyra Steckeweh, Tim van Beveren
Komponistinnen: Mel Bonis, Lili Boulanger, Fanny Hensel, Emilie Meyer
Kyra Steckeweh
Eine Dokumentation von Kyra Steckeweh und Tim van Beveren
Komponistinnen
Eine Pianistin und ein Filmemacher auf Spurensuche
Kyrah Steckeweh (*1984 in Bonn) ist eine deutsche Pianistin. Sie setzt sich sehr für die Aufführung unbekannter Stücke sowie insbesondere für Komponistinnen ein. Sie betreibt dabei aufwändige Suchen in Archiven und spielt oft Werke nach Autographen, d.h. aus unveröffentlichten Werken. Sie ist freischaffende Pianistin.

Tim van Beveren (*1961 in Düsseldorf) ist ein deutscher Journalist, Sachbuchautor, Filmregisseur und Filmproduzent, oft im Bereich Luftfahrt.
Komponistinnen: Mel Bonis, Lili Boulanger, Emilie Meyer und Fanny Hensel
Hand aufs Herz: Kennen Sie Komponistinnen und wenn ja, welche? Ich war schon einigermaßen stolz, dass mir ein paar Namen einfielen: Hildegard von Bingen, Clara Schumann, Fanny Hensel, Lili Boulanger und ihre Schwester Nadja, Sofia Gubaidulina. Kannte ich Werke dieser Frauen? Außer einigen von Hildegard von Bingen und Sofia Gubaidulina nicht wirklich. Hatte das eine oder andere Stück evtl. mal gehört, mich aber nicht weiter interessiert.
Als ich für ein Projekt mit Gedichten von Frauen dazu passende Musik suchte, fielen mir zuerst lauter Komponisten ein. Dann dachte ich, hm, da sollte ich mich vielleicht doch mal nach Komponistinnen umschauen. Dabei fiel mir diese DVD auf. Ich las die Beschreibung, die sprach mich an und - schnell entschlossen - bestellte ich sie. Ich habe diese Erwerbung nicht bereut.
Die oben genannten Komponistinnen werden vorgestellt mit ihrer Geschichte in ihrer Zeit. Dabei wird klar, wie benachteiligt die Frauen (bis auf Lili Boulanger) in der Gesellschaft waren. Selbst wenn sie anfangs durch die Familie eine gewisse Förderung erfuhren, änderte sich das für sie, wenn sie heranwuchsen und dann, der Zeit entsprechend, auf ihre Rolle als Frau und Mutter reduziert wurden. Nach Höherem zu streben blieb den Brüdern (wie bei Fanny Hensel) oder generell Männern vorbehalten. Insofern beschränkte sich die Ausbildung der jungen Frauen auf den Bereich der Kammermusik oder auf Solowerke, hauptsächlich für Klavier – das gehörte noch gerade zum Kanon der weiblichen Erziehung im 19. Jahrhundert beispielsweise. Weitergehende sinfonische Werke zu schreiben verlangte ein Kompositionsstudium an einer Akademie, das – vor allem in Deutschland – Männern vorbehalten war. In Frankreich war die Situation ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ein wenig anders. Frauen durften das Konservatorium besuchen. Aber ansonsten blieb es bei den Beschränkungen in und durch die Familie. Das vorherrschende Frauenbild verlangte es so.
Und sie komponierten doch!
Wie die auf der DVD vorgestellten Frauen auf die Einschränkungen reagierten, sie teilweise umgingen, wie sie es schafften, dennoch Werke hervorzubringen und warum es sich lohnt, sich mit ihnen zu beschäftigen und die Musik zu hören – das erzählen Kyra Steckeweh und Tim van Bevern spannend, sachkundig und höchst informativ. Schauplätze werden aufgesucht, mit Nachfahren gesprochen, die Frauen kommen – sofern sie sich selbst geäußert haben - zu Wort ebenso wie Expertinnen, die zu ihnen forschen und es gibt viele Musikbeispiele.
Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, umso beeindruckter bin ich. Und zeitweise auch richtig zornig. Wie konnte und kann man es heute wagen, Komponistinnen so sträflich zu vernachlässigen? Die großen Interpreten und Interpretinnen konzentrieren sich bis heute viel zu sehr auf die sowieso bekannten und überaus oft aufgeführten Werke von berühmten Komponisten. Wenn neuere Stücke aufgeführt werden, dann sind manchmal Frauen dabei, aber eher weniger. Meistens sind es Kompositionen von Männern. Das muss sich ändern, ändert sich wohl auch langsam. Aber immer noch viel zu langsam.
Die Stücke müssen ihren Platz im Konzertgeschehen bekommen. Aber nicht, weil sie von Frauen sind. Sondern weil sie gut sind. Sehr gut sogar. Und es gibt noch so viele Komponistinnen zu entdecken. Es gibt sie. Aber man/frau muss sie auch suchen.
Zu der DVD gibt es eine CD gleichen Titels, eingespielt von Kyra Steckeweh.
Tipps mit Werken von Komponistinnen
Isata Kanneh-Mason: Romance – The piano music of Clara Schumann, Decca 2019, mit einem Klavierkonzert und verschiedenen Romanzen und anderen Stücken. Isata Kanneh-Mason erhielt den Opus Klassik 2020 im Bereich Nachwuchskünstlerin. Sie stammt aus einer Musikerfamilie und ist mit ihren Geschwistern in Großbritannien unter "The Kanneh-Masons" sehr bekannt.
Lauma Skride: Fanny Mendelssohn-Hensel: The Year (Das Jahr), 12 Charakterstücke, Sony classical 2007 zusammen mit NDR-Kultur. Die Stücke umfassen die Monate Januar bis Dezember und einen Epilog. Sie entstanden im Zusammenhang mit einer Italienreise der Komponistin.Die Pianistin Lauma Skride stammt ebenfalls aus einer Musikerfamilie. Ihre Schwester Baiba ist eine berühmte Geigerin.
Judith Pfeiffer: Werke von Clara Schumann, Germaine Tailleferre, Cécile Chaminade, Fanny Hensel, Lili Boulanger u.a., erschienen bei: Dreyer Gaido 2001. Judith Pfeiffer ist Pianistin.
Emile Naoumoff: In Memoriam Lili Boulanger, Works by Lili und Nadia Boulanger and Emile Naoumoff, Marco Polo 1993. Emile Naoumoff ist ein bulgarischer Pianist und Komponist
Dran bleiben - es lohnt sich!
Es gibt mittlerweile eine Reihe von Aufnahmen mit Werken von Komponistinnen in sehr guter Qualität. Bleibt zu hoffen, dass die Frauen mit ihren Werken endgültig aus ihrer Nische herausgeholt und aufgeführt werden. Es lohnt sich in jedem Fall. Und es gibt noch so viel großartige Komponistinnen zu entdecken. Ich jedenfalls bleibe auf und in dieser Spur.
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