@ COPYRIGHT G. Strahl, Neuss
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hier
Am
3.
August
2025
jährte
sich
zum
11.
Mal
der
Jahrestag,
an
dem
der
so
genannte
Islamische
Staat
(IS)
mit
dem
Genozid
an
den
Jesiden
(Êzîden
wie
sie
sich
selbst
nennen,
die
Schreibweise
variiert,
Jesiden,
Jeziden,
Yeziden,
Êzîden)
begann
und
unermessliches
Leid
über
tausende
Angehörige
dieser
Religion
brachte,
Männer,
Greise,
Kinder
und
insbesondere
Frauen
tötete,
versklavte
und
eine
ganze
Region
und
Kultur
zerstörte.
Doch
wer
sind
die
Jesiden? Was glauben sie, wie leben sie?
In
den
letzten
Jahren
sind
einige
Bücher
auf
Deutsch
erschienen,
die
sich
diesem
Volk
widmen:
in
Form
von
Romanen,
Berichten,
Stimmen
von
Betroffenen,
von
Jesiden
selbst
oder
Journalisten,
die
die
Regionen
um
den
Irak, aber auch Syrien, Türkei und anderen Ländern aufsuchen, in den Jesiden seit Jahrtausenden leben.
Rückblick:
Im
19.
Jahrhundert
bereiste
Austen
Henry
Layard,
ein
britischer
Archäologe
und
Assyriologe,
die
Region
um
Ninive,
weil
er
hier
nach
den
Überresten
dieser
geheimnisvollen
Stadt
suchen
wollte.
Während
seiner
Suche
und
seinen
Ausgrabungen
kam
er
in
Kontakt
mit
einem
ebenso
geheimnisumwitterten
Volk,
den
Jesiden.
Sie
nahmen
ihn
gastfreundlich
auf,
unterstützten
seine
Suche
und
er
verbrachte
einige
Zeit
bei
ihnen.
Die
Menschen
vertrauten
ihm
und
erzählten
vieles
von
sich,
ihrer
Religion
und
Lebensweise.
Durch
sie
erfuhr
er
auch
von
vielen
Verfolgungen
und
Verleumdungen,
denen
sie
von
Seiten
ihrer
muslimischen
Nachbarn
oftmals
ausgesetzt
waren.
Immer
wiederkehrende
Vorwürfe
lauteten:
Sie
seien
Teufelsanbeter,
unrein,
schmutzig
usw.
Layard
erlebte
bei
den
Jesiden
das
ganze
Gegenteil.
In
seinem
Werk
„Ninive
and
its
remains“
(1848
erschienen)
berichtet
er
von
ihnen
und
seinen
Erfahrungen.
Schon
1854
erschien
eine
deutsche
Übersetzung:
„Niniveh
und
seine
Überreste“.
Dieses
Werk
benutzte
Karl
May
für
seine
Bücher
„Durch
die
Wüste“
und
„Durchs
wilde
Kurdistan“,
in
denen
er
seine
Helden
Kara
ben
Nemsi
und
Hadschi
Halef
Omar
die
Siedlungsgebiete
der
Jesiden
im
Irak,
genauer
im
Sindjar-Gebirge,
und
das
Heiligtum
Lalish
aufsuchen
lässt.
Man
kann
ohne
Übertreibung
sagen,
dass
er
die
Vorlage
Layards
intensiv
studierte
und
für
seine
Erzählung
nutzte.
Die
Bücher
wurden
in
seiner
Bibliothek
mit
vielen Anmerkungen versehen gefunden, wie die Karl-May-Gesellschaft schreibt.
Die
Verfolgungen,
denen
die
Jesiden
ausgesetzt
waren,
waren
jedoch
nicht
auf
das
19.
Jahrhundert
beschränkt.
Sie
begannen
schon
im
16.
Jahrhundert
und
ziehen
sich
bis
in
die
heutige
Zeit.
Wenn
Jesiden
von
bis
heute
74
Pogromen sprechen, so meinen sie letztlich eine große, unüberschaubare Anzahl von Verfolgungen.
Hier einige Werke:
Yaşar Kemal (1923-2015): Die Ameiseninsel
Yaşar
Kemal
gehört
zu
den
bedeutendsten
Schriftstellern
der
Türkei.
Viele
seiner
Bücher
und
Erzählungen
wurden
verfilmt.
Berühmt
ist
er
u.a.
für
seine
„Ince
Mehmet“
-Romane.
Zeit
seines
Lebens
äußerte
er
sich
mutig
zu
gesellschaftlichen
und
politischen
Themen
und
scheute
sich
nicht,
die
vergessenen
oder
verdrängten
Probleme
aufzugreifen.
Das
trug
ihm
Folter
und
Haft
ein.
1997
erhielt
er
den
„Friedenspreis
des
Deutschen
Buchhandels“.
In
Frankreich wurde ihm der Orden der Ehrenlegion verliehen.
In
seinem
Buch
„Die
Ameiseninsel“
erinnert
Kemal
an
die
Grausamkeiten,
die
während
des
1.
Weltkrieges
in
Anatolien,
dem
Kaukasus
und
dem
Mittleren
Osten
verübt
wurden.
Sein
Protagonist
Musa
wird
heimgesucht
von
Erinnerungen an diese Zeit und an seine eigenen Taten, auch an die Verfolgung und Ermordung von Jesiden.
Das
Buch
ist
für
europäische
LeserInnen
manchmal
nicht
so
leicht
zu
lesen,
Kemals
Schreibstil
etwas
gewöhnungsbedürftig,
aber
es
ist
lesenswert
und
legt
Zeugnis
ab
von
Grausamkeiten,
die
an
Jesiden
verübt
wurden.
Nadia Murad: Ich bin eure Stimme
Nadia
Murad
geriet
2014
in
die
Gefangenschaft
des
IS:
Drei
Monate
war
sie
in
der
Gewalt
der
Fanatiker,
wurde
gefoltert
und
immer
wieder
missbraucht.
Mit
viel
Mut
gelang
ihr
die
Flucht.
Im
Zuge
eines
Hilfsangebotes
des
Landes
Baden-Württemberg
für
jesidische
Frauen
kam
sie
nach
Deutschland,
wo
sie
noch
heute
lebt.
2018
erhielt
sie den Friedensnobelpreis.
Jan Ilhan Kizilhan: Nachtfahrt der Seele
Prof.
Jan
Ilhan
Kizilhan
(geb.
1966)
stammt
aus
dem
kurdischen
Teil
der
Türkei.
1973
kam
er
mit
seiner
Familie
nach
Deutschland,
studierte
Psychologie,
Soziologie
und
Orientalistik.
Er
gilt
als
international
anerkannter
Experte
der
transkulturellen
Psychiatrie
und
Traumatologie.
Im
März
des
Jahres
2025
erhielt
er
das
Bundesverdienstkreuz
der
Bundesrepublik
Deutschland
für
sein
außerordentliches
Engagement
im
Bereich
Menschenrechte
(eine
von
inzwischen vielen Auszeichnungen)
Zur ausführlichen Rezension geht es
hier
Drei weitere Bücher des Autors:
Das Lied der endlosen Trockenheit
Rodi
ist
dreizehn
Jahre.
Seit
sein
yesidischer
Vater
verschollen
ist,
leben
er,
seine
Schwester
und
die
Mutter
beim
tyrannischen
Onkel
in
einem
yesidisch-kurdischen
Dorf
in
der
Türkei.
Rodi
lernt
die
strengen
Regeln
seiner
Religion
in
ihrer
Widersprüchlichkeit
kennen
sowie
die
grausame
Unterdrückung
der
Yesiden
in
einer
islamischen
Umwelt.
Der
Junge
träumt
von
Freiheit,
von
einem
anderen
Leben
in
einer
friedlichen
Umwelt,
muss
aber
die
Erfahrung
machen,
dass
dies
wohl
nur
in
seinen
Träumen
möglich
ist.
Er
erlebt
auch,
dass
eigenes
Elend
nicht
unbedingt
menschlicher
macht,
sondern
das
Gegenteil
oft
der
Fall
ist.
Er
versucht,
sich
dagegen
aufzulehnen,
eigene
Wege
zu
gehen.
Hilfe
findet
er
bei
seinen
Freunden,
seiner
Schwester
und
zuletzt,
völlig
unverhofft,
sogar
bei seiner Mutter und seinem Onkel.
Spannend
geschrieben,
völlig
aus
der
Sicht
eines
Jugendlichen,
der
sich
mit
Unterdrückung,
Unrecht
und
Not
nicht
abfinden
will.
Das
Buch
gibt
einen
tiefen
Einblick
in
die
Lebensweise
und
die
schweren
Bedingungen,
unter
denen
die Menschen leben.
Der Kreis – die letzte Jesidin
Dazu
gebe
ich
weiter,
was
eine
andere
Autorin
dazu
geschrieben
hat:
Das
Buch
„ist
das
Porträt
einer
bemerkenswerten
Frau,
die
in
sich
die
Kraft
findet,
für
ihre
Überzeugungen
einzustehen
und
sich
nicht
dem
Druck
des
religiösen
Fanatismus
zu
beugen.
Eine
Erzählung
aus
einer
anderen
Epoche,
die
bis
in
die
heutige
Zeit
nachhallt.“ (Ronya Othmann)
Der
Roman
ist
in
Anlehnung
an
die
wahre
Geschichte
der
Jesidin
Begê
Samur
(1894-1956)
entstanden.
Ihr
Grab
liegt bei Urfa in der Türkei.
Wer sind die Êzîden?
Jan
Ilhan
Kizilhan
versucht,
in
diesem
kleinen
Buch
in
deutscher
und
kurdischer
Sprache
einen
Einblick
in
die
Religion der Jesiden bzw. Êzîden zu geben.
Elif Shafak – Am Himmel die Flüsse
Elif
Shafak
ist
eine
mittlerweile
international
bekannte
Schriftstellerin,
die
sich
immer
wieder
in
die
Diskussion
um
gesellschaftspolitische
Themen
einschaltet,
die
sich
für
Menschenrechte
(Frauenrechte),
Schutz
von
Minderheiten
und für die Umwelt einsetzt. Dazu ist sie eine großartige Erzählerin.
Zur ausführlichen Rezension geht es
hier
Ronya Othmann – Die Sommer
Ronya
Othmann
(geb.
1993
in
München,
Mutter
Deutsche,
Vater
jesidischer
Kurde).
Sie
ist
Journalistin
und
Schriftstellerin
Leyla
geht
in
München
auf
ein
Gymnasium.
In
allen
Sommerferien
besucht
sie
mit
ihren
Eltern
das
Dorf
ihrer
Großeltern,
das
sie
lieben
lernt.
Sie
und
ihre
Verwandten
nennen
das
Land
Kurdistan.
Politisch
gehört
es
zu
Syrien.
Über
viele
Jahre
verbringt
sie
die
Sommer
dort
und
lebt
mit
Eltern,
Großeltern
und
den
weiteren
Verwandten
zusammen.
Dieses
Zusammenleben
läuft
nicht
ohne
Spannungen
ab:
Die
Mutter
ist
keine
Jesidin,
der
Vater
ist
an
der
Religion
nicht
interessiert.
Dennoch
ist
Leyla
gerne
dort.
Im
Jahr
2014
verändert
sich
alles
mit
dem
von
Assad
vernichteten
Aleppo
und
der
Ermordung
der
Jesiden
durch
den
IS.
Ihre
deutschen
Freunde
leben
ihren
unbekümmerten
Alltag,
der
für
Leyla
immer
weniger
lebbar
wird.
Denn
das
Geschehen
in
der
Heimat
ihres
Vaters
und seiner Familie betrifft sie mehr und mehr.
Ronya Othmann – Vierundsiebzig
„Ich
habe
immer
gedacht,
dass
es
das
Ende
ist,
wenn
der
Himmel
auf
die
Erde
fällt.
Am
3.
August
2014
ist
der
Himmel
nicht
auf
die
Erde
gefallen,
aber
trotzdem
war
es
das
Ende.
Ich
schreibe:
Eine
Frau
aus
dem
Shariya
Camp
hat das zu mir gesagt. Ich schreibe:“
Ronya
Othmann
ringt
mit
dem
Thema,
mit
dem
Furchtbaren,
das
mit
dem
Genozid,
den
der
IS
an
den
Jesiden
verübt
hat.
Wie
eine
Sprache
finden,
wie
erinnern,
ohne
in
Allgemeinplätze
zu
verfallen,
wie
an
den
Schrecken
erinnern,
ohne
ihm
gleichzeitig
auszuweichen?
2018
geht
Ronya
Othmann
auf
eine
Spurensuche
in
den
Gebieten,
in
denen
die
Gräueltaten
verübt
wurden,
begegnet
Opfern,
trifft
Überlebende,
Traumatisierte,
die
in
Lagern
leben,
die
ihre
Heimat
verloren
haben
und
nicht
wissen,
wie
es
für
sie
weitergehen
soll.
Zeitweise
begleitet
ihr
Vater
sie,
dann
wieder
vertraut
sie
sich
einheimischen
Führern
an.
Ihr
Weg
führt
sie
in
die
Wohnzimmer
von
Verwandten,
sie
besucht
ein
ezidisches
Dorf
in
der
Türkei,
in
dem
niemand
mehr
lebt.
Ronya
Othmann
will
zuhören,
genau
hinsehen
und
Zeugnis
ablegen
für
die
Geschichte
eines
Volkes,
das
über
Jahrhunderte
immer
wieder
Opfer
von
Verfolgung, Versklavung und Genozid geworden ist.
Das Buch war für den Deutschen Buchpreis 2024 vorgeschlagen.
Thomas Schmidinger – Die Welt hat uns vergessen
Thomas
Schmidinger
ist
Politikwissenschaftler
und
Kultur-
und
Sozialanthropologe.
Er
ist
Österreicher
und
lehrt
an
der
Universität
Wien
sowie
an
Fachhochschulen
in
Vorarlberg
und
Oberösterreich.
Er
ist
Generalsekretär
der
Österreichischen
Gesellschaft
zur
Förderung
der
Kurdologie/Europäisches
Zentrum
für
kurdische
Studien.
Er
bereist alle Teile Kurdistans seit 1999 bis heute. Das Buch erschien 2019, ist aber immer noch aktuell.
Schmidinger
berichtet
empathisch,
aber
gleichzeitig
mit
dem
nötigen
Abstand
über
den
Genozid
an
den
Jesiden,
spannend,
lehrreich
und
durchaus
kritisch
bzgl.
jesidischer
religiöser
Traditionen,
über
den
Spagat
zwischen
Tradition
und
Moderne.
Er
führte
Interviews
mit
den
beteiligten
Personen
bzw.
Gruppierungen,
bietet
einen
Überblick
über
die
Geschichte
der
Jesiden
und
der
Regionen,
in
denen
sie
lebten
(leben),
gibt
einen
Einblick
in
die
religiösen
und
gesellschaftlichen
Strukturen
der
Jesiden
und
berichtet
über
die
Verfolgungen
und
Verleumdungen,
denen sie ausgesetzt waren und sind.
Wenn
die
LeserInnen
zwischendurch
etwas
ratlos
und
verwirrt
im
Gestrüpp
der
vielen
Beteiligten
umherirren,
der
je
eigenen
Interessen
und
der
vielen
Allianzen,
die
geschlossen
und
entweder
sofort
oder
bald
wieder
aufgekündigt
werden,
dann
ist
das
nur
ein
Beweis
wie
unübersichtlich
und
damit
gefährlich
das
Ganze
ist.
Wenn
schon
Berichterstatter
sich
bemühen
müssen,
nicht
den
Überblick
zu
verlieren,
um
wie
viel
schwieriger
ist
es
dann
für
Beteiligten,
die
ja
immer
betroffen
sind
und
nie
wissen
können,
wie
lange
und
wie
weit
die
trügerische
Ruhe
hält
und
wann
sie
wieder
umschlägt
in
Leid
und
Verfolgung.
Wenn
westliche
(auch
deutsche)
Regierungen
von
Sicherheit
sprechen,
in
der
die
Menschen
in
diesen
Regionen
leben,
dann
ist
das
wohl
Wunschdenken,
um
Jesiden
leichter
abschieben
zu
können.
Dies
werden
die
Menschen
vor
Ort
sicher
anders
sehen
und
bewerten:
„Die
Welt
hat uns vergessen“
Die Jesiden (Êzîden, wie sie sich selbst nennen)