@ COPYRIGHT G. Strahl, Neuss

Buch-Welt-Musik G. Strahl
Weitere Empfehlungen für Autoren/Autorinnen und Medien: hier Eigene Texte
Am 3. August 2025 jährte sich zum 11. Mal der Jahrestag, an dem der so genannte Islamische Staat (IS) mit dem Genozid an den Jesiden (Êzîden wie sie sich selbst nennen, die Schreibweise variiert, Jesiden, Jeziden, Yeziden, Êzîden) begann und unermessliches Leid über tausende Angehörige dieser Religion brachte, Männer, Greise, Kinder und insbesondere Frauen tötete, versklavte und eine ganze Region und Kultur zerstörte. Doch wer sind die Jesiden? Was glauben sie, wie leben sie? In den letzten Jahren sind einige Bücher auf Deutsch erschienen, die sich diesem Volk widmen: in Form von Romanen, Berichten, Stimmen von Betroffenen, von Jesiden selbst oder Journalisten, die die Regionen um den Irak, aber auch Syrien, Türkei und anderen Ländern aufsuchen, in den Jesiden seit Jahrtausenden leben. Rückblick: Im 19. Jahrhundert bereiste Austen Henry Layard, ein britischer Archäologe und Assyriologe, die Region um Ninive, weil er hier nach den Überresten dieser geheimnisvollen Stadt suchen wollte. Während seiner Suche und seinen Ausgrabungen kam er in Kontakt mit einem ebenso geheimnisumwitterten Volk, den Jesiden. Sie nahmen ihn gastfreundlich auf, unterstützten seine Suche und er verbrachte einige Zeit bei ihnen. Die Menschen vertrauten ihm und erzählten vieles von sich, ihrer Religion und Lebensweise. Durch sie erfuhr er auch von vielen Verfolgungen und Verleumdungen, denen sie von Seiten ihrer muslimischen Nachbarn oftmals ausgesetzt waren. Immer wiederkehrende Vorwürfe lauteten: Sie seien Teufelsanbeter, unrein, schmutzig usw. Layard erlebte bei den Jesiden das ganze Gegenteil. In seinem Werk „Ninive and its remains“ (1848 erschienen) berichtet er von ihnen und seinen Erfahrungen. Schon 1854 erschien eine deutsche Übersetzung: „Niniveh und seine Überreste“. Dieses Werk benutzte Karl May für seine Bücher „Durch die Wüste“ und „Durchs wilde Kurdistan“, in denen er seine Helden Kara ben Nemsi und Hadschi Halef Omar die Siedlungsgebiete der Jesiden im Irak, genauer im Sindjar-Gebirge, und das Heiligtum Lalish aufsuchen lässt. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass er die Vorlage Layards intensiv studierte und für seine Erzählung nutzte. Die Bücher wurden in seiner Bibliothek mit vielen Anmerkungen versehen gefunden, wie die Karl-May-Gesellschaft schreibt. Die Verfolgungen, denen die Jesiden ausgesetzt waren, waren jedoch nicht auf das 19. Jahrhundert beschränkt. Sie begannen schon im 16. Jahrhundert und ziehen sich bis in die heutige Zeit. Wenn Jesiden von bis heute 74 Pogromen sprechen, so meinen sie letztlich eine große, unüberschaubare Anzahl von Verfolgungen. Hier einige Werke:

Yaşar Kemal (1923-2015): Die Ameiseninsel

Yaşar Kemal gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der Türkei. Viele seiner Bücher und Erzählungen wurden verfilmt. Berühmt ist er u.a. für seine „Ince Mehmet“ -Romane. Zeit seines Lebens äußerte er sich mutig zu gesellschaftlichen und politischen Themen und scheute sich nicht, die vergessenen oder verdrängten Probleme aufzugreifen. Das trug ihm Folter und Haft ein. 1997 erhielt er den „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“. In Frankreich wurde ihm der Orden der Ehrenlegion verliehen. In seinem Buch „Die Ameiseninsel“ erinnert Kemal an die Grausamkeiten, die während des 1. Weltkrieges in Anatolien, dem Kaukasus und dem Mittleren Osten verübt wurden. Sein Protagonist Musa wird heimgesucht von Erinnerungen an diese Zeit und an seine eigenen Taten, auch an die Verfolgung und Ermordung von Jesiden. Das Buch ist für europäische LeserInnen manchmal nicht so leicht zu lesen, Kemals Schreibstil etwas gewöhnungsbedürftig, aber es ist lesenswert und legt Zeugnis ab von Grausamkeiten, die an Jesiden verübt wurden.

Nadia Murad: Ich bin eure Stimme

Nadia Murad geriet 2014 in die Gefangenschaft des IS: Drei Monate war sie in der Gewalt der Fanatiker, wurde gefoltert und immer wieder missbraucht. Mit viel Mut gelang ihr die Flucht. Im Zuge eines Hilfsangebotes des Landes Baden-Württemberg für jesidische Frauen kam sie nach Deutschland, wo sie noch heute lebt. 2018 erhielt sie den Friedensnobelpreis.

Jan Ilhan Kizilhan: Nachtfahrt der Seele

Prof. Jan Ilhan Kizilhan (geb. 1966) stammt aus dem kurdischen Teil der Türkei. 1973 kam er mit seiner Familie nach Deutschland, studierte Psychologie, Soziologie und Orientalistik. Er gilt als international anerkannter Experte der transkulturellen Psychiatrie und Traumatologie. Im März des Jahres 2025 erhielt er das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland für sein außerordentliches Engagement im Bereich Menschenrechte (eine von inzwischen vielen Auszeichnungen) Zur ausführlichen Rezension geht es hier Drei weitere Bücher des Autors:

Das Lied der endlosen Trockenheit

Rodi ist dreizehn Jahre. Seit sein yesidischer Vater verschollen ist, leben er, seine Schwester und die Mutter beim tyrannischen Onkel in einem yesidisch-kurdischen Dorf in der Türkei. Rodi lernt die strengen Regeln seiner Religion in ihrer Widersprüchlichkeit kennen sowie die grausame Unterdrückung der Yesiden in einer islamischen Umwelt. Der Junge träumt von Freiheit, von einem anderen Leben in einer friedlichen Umwelt, muss aber die Erfahrung machen, dass dies wohl nur in seinen Träumen möglich ist. Er erlebt auch, dass eigenes Elend nicht unbedingt menschlicher macht, sondern das Gegenteil oft der Fall ist. Er versucht, sich dagegen aufzulehnen, eigene Wege zu gehen. Hilfe findet er bei seinen Freunden, seiner Schwester und zuletzt, völlig unverhofft, sogar bei seiner Mutter und seinem Onkel. Spannend geschrieben, völlig aus der Sicht eines Jugendlichen, der sich mit Unterdrückung, Unrecht und Not nicht abfinden will. Das Buch gibt einen tiefen Einblick in die Lebensweise und die schweren Bedingungen, unter denen die Menschen leben.

Der Kreis – die letzte Jesidin

Dazu gebe ich weiter, was eine andere Autorin dazu geschrieben hat: Das Buch „ist das Porträt einer bemerkenswerten Frau, die in sich die Kraft findet, für ihre Überzeugungen einzustehen und sich nicht dem Druck des religiösen Fanatismus zu beugen. Eine Erzählung aus einer anderen Epoche, die bis in die heutige Zeit nachhallt.“ (Ronya Othmann) Der Roman ist in Anlehnung an die wahre Geschichte der Jesidin Begê Samur (1894-1956) entstanden. Ihr Grab liegt bei Urfa in der Türkei.

Wer sind die Êzîden?

Jan Ilhan Kizilhan versucht, in diesem kleinen Buch in deutscher und kurdischer Sprache einen Einblick in die Religion der Jesiden bzw. Êzîden zu geben.

Elif Shafak – Am Himmel die Flüsse

Elif Shafak ist eine mittlerweile international bekannte Schriftstellerin, die sich immer wieder in die Diskussion um gesellschaftspolitische Themen einschaltet, die sich für Menschenrechte (Frauenrechte), Schutz von Minderheiten und für die Umwelt einsetzt. Dazu ist sie eine großartige Erzählerin. Zur ausführlichen Rezension geht es hier

Ronya Othmann – Die Sommer

Ronya Othmann (geb. 1993 in München, Mutter Deutsche, Vater jesidischer Kurde). Sie ist Journalistin und Schriftstellerin Leyla geht in München auf ein Gymnasium. In allen Sommerferien besucht sie mit ihren Eltern das Dorf ihrer Großeltern, das sie lieben lernt. Sie und ihre Verwandten nennen das Land Kurdistan. Politisch gehört es zu Syrien. Über viele Jahre verbringt sie die Sommer dort und lebt mit Eltern, Großeltern und den weiteren Verwandten zusammen. Dieses Zusammenleben läuft nicht ohne Spannungen ab: Die Mutter ist keine Jesidin, der Vater ist an der Religion nicht interessiert. Dennoch ist Leyla gerne dort. Im Jahr 2014 verändert sich alles mit dem von Assad vernichteten Aleppo und der Ermordung der Jesiden durch den IS. Ihre deutschen Freunde leben ihren unbekümmerten Alltag, der für Leyla immer weniger lebbar wird. Denn das Geschehen in der Heimat ihres Vaters und seiner Familie betrifft sie mehr und mehr.

Ronya Othmann – Vierundsiebzig

„Ich habe immer gedacht, dass es das Ende ist, wenn der Himmel auf die Erde fällt. Am 3. August 2014 ist der Himmel nicht auf die Erde gefallen, aber trotzdem war es das Ende. Ich schreibe: Eine Frau aus dem Shariya Camp hat das zu mir gesagt. Ich schreibe:“ Ronya Othmann ringt mit dem Thema, mit dem Furchtbaren, das mit dem Genozid, den der IS an den Jesiden verübt hat. Wie eine Sprache finden, wie erinnern, ohne in Allgemeinplätze zu verfallen, wie an den Schrecken erinnern, ohne ihm gleichzeitig auszuweichen? 2018 geht Ronya Othmann auf eine Spurensuche in den Gebieten, in denen die Gräueltaten verübt wurden, begegnet Opfern, trifft Überlebende, Traumatisierte, die in Lagern leben, die ihre Heimat verloren haben und nicht wissen, wie es für sie weitergehen soll. Zeitweise begleitet ihr Vater sie, dann wieder vertraut sie sich einheimischen Führern an. Ihr Weg führt sie in die Wohnzimmer von Verwandten, sie besucht ein ezidisches Dorf in der Türkei, in dem niemand mehr lebt. Ronya Othmann will zuhören, genau hinsehen und Zeugnis ablegen für die Geschichte eines Volkes, das über Jahrhunderte immer wieder Opfer von Verfolgung, Versklavung und Genozid geworden ist. Das Buch war für den Deutschen Buchpreis 2024 vorgeschlagen.

Thomas Schmidinger – Die Welt hat uns vergessen

Thomas Schmidinger ist Politikwissenschaftler und Kultur- und Sozialanthropologe. Er ist Österreicher und lehrt an der Universität Wien sowie an Fachhochschulen in Vorarlberg und Oberösterreich. Er ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie/Europäisches Zentrum für kurdische Studien. Er bereist alle Teile Kurdistans seit 1999 bis heute. Das Buch erschien 2019, ist aber immer noch aktuell. Schmidinger berichtet empathisch, aber gleichzeitig mit dem nötigen Abstand über den Genozid an den Jesiden, spannend, lehrreich und durchaus kritisch bzgl. jesidischer religiöser Traditionen, über den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Er führte Interviews mit den beteiligten Personen bzw. Gruppierungen, bietet einen Überblick über die Geschichte der Jesiden und der Regionen, in denen sie lebten (leben), gibt einen Einblick in die religiösen und gesellschaftlichen Strukturen der Jesiden und berichtet über die Verfolgungen und Verleumdungen, denen sie ausgesetzt waren und sind. Wenn die LeserInnen zwischendurch etwas ratlos und verwirrt im Gestrüpp der vielen Beteiligten umherirren, der je eigenen Interessen und der vielen Allianzen, die geschlossen und entweder sofort oder bald wieder aufgekündigt werden, dann ist das nur ein Beweis wie unübersichtlich und damit gefährlich das Ganze ist. Wenn schon Berichterstatter sich bemühen müssen, nicht den Überblick zu verlieren, um wie viel schwieriger ist es dann für Beteiligten, die ja immer betroffen sind und nie wissen können, wie lange und wie weit die trügerische Ruhe hält und wann sie wieder umschlägt in Leid und Verfolgung. Wenn westliche (auch deutsche) Regierungen von Sicherheit sprechen, in der die Menschen in diesen Regionen leben, dann ist das wohl Wunschdenken, um Jesiden leichter abschieben zu können. Dies werden die Menschen vor Ort sicher anders sehen und bewerten: „Die Welt hat uns vergessen“

Die Jesiden (Êzîden, wie sie sich selbst nennen)

Themen

@ COPYRIGHT G. Strahl, Neuss

Buch-Welt-Musik G. Strahl
Weitere Empfehlungen für Autoren/Autorinnen und Medien: hier
Am 3. August 2025 jährte sich zum 11. Mal der Jahrestag, an dem der so genannte Islamische Staat (IS) mit dem Genozid an den Jesiden (Êzîden wie sie sich selbst nennen, die Schreibweise variiert, Jesiden, Jeziden, Yeziden, Êzîden) begann und unermessliches Leid über tausende Angehörige dieser Religion brachte, Männer, Greise, Kinder und insbesondere Frauen tötete, versklavte und eine ganze Region und Kultur zerstörte. Doch wer sind die Jesiden? Was glauben sie, wie leben sie? In den letzten Jahren sind einige Bücher auf Deutsch erschienen, die sich diesem Volk widmen: in Form von Romanen, Berichten, Stimmen von Betroffenen, von Jesiden selbst oder Journalisten, die die Regionen um den Irak, aber auch Syrien, Türkei und anderen Ländern aufsuchen, in den Jesiden seit Jahrtausenden leben. Rückblick: Im 19. Jahrhundert bereiste Austen Henry Layard, ein britischer Archäologe und Assyriologe, die Region um Ninive, weil er hier nach den Überresten dieser geheimnisvollen Stadt suchen wollte. Während seiner Suche und seinen Ausgrabungen kam er in Kontakt mit einem ebenso geheimnisumwitterten Volk, den Jesiden. Sie nahmen ihn gastfreundlich auf, unterstützten seine Suche und er verbrachte einige Zeit bei ihnen. Die Menschen vertrauten ihm und erzählten vieles von sich, ihrer Religion und Lebensweise. Durch sie erfuhr er auch von vielen Verfolgungen und Verleumdungen, denen sie von Seiten ihrer muslimischen Nachbarn oftmals ausgesetzt waren. Immer wiederkehrende Vorwürfe lauteten: Sie seien Teufelsanbeter, unrein, schmutzig usw. Layard erlebte bei den Jesiden das ganze Gegenteil. In seinem Werk „Ninive and its remains“ (1848 erschienen) berichtet er von ihnen und seinen Erfahrungen. Schon 1854 erschien eine deutsche Übersetzung: „Niniveh und seine Überreste“. Dieses Werk benutzte Karl May für seine Bücher „Durch die Wüste“ und „Durchs wilde Kurdistan“, in denen er seine Helden Kara ben Nemsi und Hadschi Halef Omar die Siedlungsgebiete der Jesiden im Irak, genauer im Sindjar-Gebirge, und das Heiligtum Lalish aufsuchen lässt. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass er die Vorlage Layards intensiv studierte und für seine Erzählung nutzte. Die Bücher wurden in seiner Bibliothek mit vielen Anmerkungen versehen gefunden, wie die Karl-May-Gesellschaft schreibt. Die Verfolgungen, denen die Jesiden ausgesetzt waren, waren jedoch nicht auf das 19. Jahrhundert beschränkt. Sie begannen schon im 16. Jahrhundert und ziehen sich bis in die heutige Zeit. Wenn Jesiden von bis heute 74 Pogromen sprechen, so meinen sie letztlich eine große, unüberschaubare Anzahl von Verfolgungen. Hier einige Werke:

Yaşar Kemal (1923-2015): Die Ameiseninsel

Yaşar Kemal gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der Türkei. Viele seiner Bücher und Erzählungen wurden verfilmt. Berühmt ist er u.a. für seine „Ince Mehmet“ -Romane. Zeit seines Lebens äußerte er sich mutig zu gesellschaftlichen und politischen Themen und scheute sich nicht, die vergessenen oder verdrängten Probleme aufzugreifen. Das trug ihm Folter und Haft ein. 1997 erhielt er den „Friedenspreis des Deutschen Buchhandels“. In Frankreich wurde ihm der Orden der Ehrenlegion verliehen. In seinem Buch „Die Ameiseninsel“ erinnert Kemal an die Grausamkeiten, die während des 1. Weltkrieges in Anatolien, dem Kaukasus und dem Mittleren Osten verübt wurden. Sein Protagonist Musa wird heimgesucht von Erinnerungen an diese Zeit und an seine eigenen Taten, auch an die Verfolgung und Ermordung von Jesiden. Das Buch ist für europäische LeserInnen manchmal nicht so leicht zu lesen, Kemals Schreibstil etwas gewöhnungsbedürftig, aber es ist lesenswert und legt Zeugnis ab von Grausamkeiten, die an Jesiden verübt wurden.

Nadia Murad: Ich bin eure Stimme

Nadia Murad geriet 2014 in die Gefangenschaft des IS: Drei Monate war sie in der Gewalt der Fanatiker, wurde gefoltert und immer wieder missbraucht. Mit viel Mut gelang ihr die Flucht. Im Zuge eines Hilfsangebotes des Landes Baden-Württemberg für jesidische Frauen kam sie nach Deutschland, wo sie noch heute lebt. 2018 erhielt sie den Friedensnobelpreis.

Jan Ilhan Kizilhan: Nachtfahrt der Seele

Prof. Jan Ilhan Kizilhan (geb. 1966) stammt aus dem kurdischen Teil der Türkei. 1973 kam er mit seiner Familie nach Deutschland, studierte Psychologie, Soziologie und Orientalistik. Er gilt als international anerkannter Experte der transkulturellen Psychiatrie und Traumatologie. Im März des Jahres 2025 erhielt er das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland für sein außerordentliches Engagement im Bereich Menschenrechte (eine von inzwischen vielen Auszeichnungen) Zur ausführlichen Rezension geht es hier Drei weitere Bücher des Autors:

Das Lied der endlosen Trockenheit

Rodi ist dreizehn Jahre. Seit sein yesidischer Vater verschollen ist, leben er, seine Schwester und die Mutter beim tyrannischen Onkel in einem yesidisch-kurdischen Dorf in der Türkei. Rodi lernt die strengen Regeln seiner Religion in ihrer Widersprüchlichkeit kennen sowie die grausame Unterdrückung der Yesiden in einer islamischen Umwelt. Der Junge träumt von Freiheit, von einem anderen Leben in einer friedlichen Umwelt, muss aber die Erfahrung machen, dass dies wohl nur in seinen Träumen möglich ist. Er erlebt auch, dass eigenes Elend nicht unbedingt menschlicher macht, sondern das Gegenteil oft der Fall ist. Er versucht, sich dagegen aufzulehnen, eigene Wege zu gehen. Hilfe findet er bei seinen Freunden, seiner Schwester und zuletzt, völlig unverhofft, sogar bei seiner Mutter und seinem Onkel. Spannend geschrieben, völlig aus der Sicht eines Jugendlichen, der sich mit Unterdrückung, Unrecht und Not nicht abfinden will. Das Buch gibt einen tiefen Einblick in die Lebensweise und die schweren Bedingungen, unter denen die Menschen leben.

Der Kreis – die letzte Jesidin

Dazu gebe ich weiter, was eine andere Autorin dazu geschrieben hat: Das Buch „ist das Porträt einer bemerkenswerten Frau, die in sich die Kraft findet, für ihre Überzeugungen einzustehen und sich nicht dem Druck des religiösen Fanatismus zu beugen. Eine Erzählung aus einer anderen Epoche, die bis in die heutige Zeit nachhallt.“ (Ronya Othmann) Der Roman ist in Anlehnung an die wahre Geschichte der Jesidin Begê Samur (1894-1956) entstanden. Ihr Grab liegt bei Urfa in der Türkei.

Wer sind die Êzîden?

Jan Ilhan Kizilhan versucht, in diesem kleinen Buch in deutscher und kurdischer Sprache einen Einblick in die Religion der Jesiden bzw. Êzîden zu geben.

Elif Shafak – Am Himmel die Flüsse

Elif Shafak ist eine mittlerweile international bekannte Schriftstellerin, die sich immer wieder in die Diskussion um gesellschaftspolitische Themen einschaltet, die sich für Menschenrechte (Frauenrechte), Schutz von Minderheiten und für die Umwelt einsetzt. Dazu ist sie eine großartige Erzählerin. Zur ausführlichen Rezension geht es hier

Ronya Othmann – Die Sommer

Ronya Othmann (geb. 1993 in München, Mutter Deutsche, Vater jesidischer Kurde). Sie ist Journalistin und Schriftstellerin Leyla geht in München auf ein Gymnasium. In allen Sommerferien besucht sie mit ihren Eltern das Dorf ihrer Großeltern, das sie lieben lernt. Sie und ihre Verwandten nennen das Land Kurdistan. Politisch gehört es zu Syrien. Über viele Jahre verbringt sie die Sommer dort und lebt mit Eltern, Großeltern und den weiteren Verwandten zusammen. Dieses Zusammenleben läuft nicht ohne Spannungen ab: Die Mutter ist keine Jesidin, der Vater ist an der Religion nicht interessiert. Dennoch ist Leyla gerne dort. Im Jahr 2014 verändert sich alles mit dem von Assad vernichteten Aleppo und der Ermordung der Jesiden durch den IS. Ihre deutschen Freunde leben ihren unbekümmerten Alltag, der für Leyla immer weniger lebbar wird. Denn das Geschehen in der Heimat ihres Vaters und seiner Familie betrifft sie mehr und mehr.

Ronya Othmann – Vierundsiebzig

„Ich habe immer gedacht, dass es das Ende ist, wenn der Himmel auf die Erde fällt. Am 3. August 2014 ist der Himmel nicht auf die Erde gefallen, aber trotzdem war es das Ende. Ich schreibe: Eine Frau aus dem Shariya Camp hat das zu mir gesagt. Ich schreibe:“ Ronya Othmann ringt mit dem Thema, mit dem Furchtbaren, das mit dem Genozid, den der IS an den Jesiden verübt hat. Wie eine Sprache finden, wie erinnern, ohne in Allgemeinplätze zu verfallen, wie an den Schrecken erinnern, ohne ihm gleichzeitig auszuweichen? 2018 geht Ronya Othmann auf eine Spurensuche in den Gebieten, in denen die Gräueltaten verübt wurden, begegnet Opfern, trifft Überlebende, Traumatisierte, die in Lagern leben, die ihre Heimat verloren haben und nicht wissen, wie es für sie weitergehen soll. Zeitweise begleitet ihr Vater sie, dann wieder vertraut sie sich einheimischen Führern an. Ihr Weg führt sie in die Wohnzimmer von Verwandten, sie besucht ein ezidisches Dorf in der Türkei, in dem niemand mehr lebt. Ronya Othmann will zuhören, genau hinsehen und Zeugnis ablegen für die Geschichte eines Volkes, das über Jahrhunderte immer wieder Opfer von Verfolgung, Versklavung und Genozid geworden ist. Das Buch war für den Deutschen Buchpreis 2024 vorgeschlagen.

Thomas Schmidinger – Die Welt hat uns vergessen

Thomas Schmidinger ist Politikwissenschaftler und Kultur- und Sozialanthropologe. Er ist Österreicher und lehrt an der Universität Wien sowie an Fachhochschulen in Vorarlberg und Oberösterreich. Er ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie/Europäisches Zentrum für kurdische Studien. Er bereist alle Teile Kurdistans seit 1999 bis heute. Das Buch erschien 2019, ist aber immer noch aktuell. Schmidinger berichtet empathisch, aber gleichzeitig mit dem nötigen Abstand über den Genozid an den Jesiden, spannend, lehrreich und durchaus kritisch bzgl. jesidischer religiöser Traditionen, über den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Er führte Interviews mit den beteiligten Personen bzw. Gruppierungen, bietet einen Überblick über die Geschichte der Jesiden und der Regionen, in denen sie lebten (leben), gibt einen Einblick in die religiösen und gesellschaftlichen Strukturen der Jesiden und berichtet über die Verfolgungen und Verleumdungen, denen sie ausgesetzt waren und sind. Wenn die LeserInnen zwischendurch etwas ratlos und verwirrt im Gestrüpp der vielen Beteiligten umherirren, der je eigenen Interessen und der vielen Allianzen, die geschlossen und entweder sofort oder bald wieder aufgekündigt werden, dann ist das nur ein Beweis wie unübersichtlich und damit gefährlich das Ganze ist. Wenn schon Berichterstatter sich bemühen müssen, nicht den Überblick zu verlieren, um wie viel schwieriger ist es dann für Beteiligten, die ja immer betroffen sind und nie wissen können, wie lange und wie weit die trügerische Ruhe hält und wann sie wieder umschlägt in Leid und Verfolgung. Wenn westliche (auch deutsche) Regierungen von Sicherheit sprechen, in der die Menschen in diesen Regionen leben, dann ist das wohl Wunschdenken, um Jesiden leichter abschieben zu können. Dies werden die Menschen vor Ort sicher anders sehen und bewerten: „Die Welt hat uns vergessen“

Die Jesiden (Êzîden, wie sie sich selbst nennen)